Seit dem 10. April ist Jakarta im lock-down, hier PSBB (Pembatasan Sosial Berskala Besar – Soziale Einschränkungen in großem Mass) genannt. Das bedeutet, dass die Schulen und praktisch alle Geschäfte geschlossen sind, mit Ausnahme der Lebensmittelketten, Apotheken, Heimwerkermärkte(!). Wer kann, der arbeitet von zu Hause (wfh: working from home). Auf den Straßen, draußen, sind Gesichtsmasken vorgeschrieben, alle Ausfallstraßen sind blockiert, Züge fahren nur im Nahverkehr und mit eingeschränktem Betrieb. Nachdem die Stadt Jakarta den lock-down vorgeschrieben hat, sind innerhalb weniger Tage auch die Satellitenstädte (Depok, Bekasi, Bogor, Tanggerang) nachgezogen. Damit sind jetzt locker 30 Millionen Menschen (so genau weiß das niemand) ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. – So weit, so gut.
Das Besondere an der Situation hier ist, dass am 24. April der Ramadan, die Fastenzeit begonnen hat, eine Zeit, die in vieler Weise mit der Adventszeit in Deutschland vergleichbar ist. Ab Morgengrauen wird bis zum Abend gefastet (die Sonne geht gegen 18 Uhr unter) und danach war es üblich, gemeinsam das Fasten aufzuheben, der erste Snack, süßer Tee, gemeinsames Essen und Beten in der Moschee. Die Abende im Ramadan sind bzw waren immer ausgelassene Zeiten, man traf Freunde, ganze Firmenabteilungen gingen zusammen zum Abendessen (dementsprechend waren die Straßen nach 18 Uhr chronisch verstopft), Geschäfte öffneten, manchmal bis nach Mitternacht, um den Menschen zu helfen, ihre Feiertagszulage (vergleichbar mit dem Weihnachtsgeld) auszugeben.
Das Ende der Fastenzeit kulminiert im Idul Fitri, zwei Feiertage, an denen es üblich war nach Hause zu fahren oder zu fliegen, um die Verwandtschaft in der Heimatstadt oder im Dorf zu besuchen. Millionen Menschen waren unterwegs, Autobahnen gesperrt und nur in einer Richtung befahrbar, ein ganzes Land unterwegs. Da war „immer so“ nur nicht in diesem Jahr. Die Regierung hat die traditionelle Heimreise (mudik, pulang kampung) grundsätzlich verboten, der lock-down soll bis Anfang Juni, also mindestens eine Woche nach Idul Fitri andauern. Die Logik ist – nachvollziehbar – wie in China (wir erinnern uns, es war im Februar, Frühjahrsvollmond, als die Seuche dort ausbrach) eine Vermischung von gesunden und infizierten Menschen zu vermeiden.
Natürlich hat der lock-down herbe wirtschaftliche Konsequenzen. Kleinbetriebe, kleine Händler und der ganze informelle Sektor leidet. Die Regierung verspricht „Hilfe“, die aber nicht kommt. Was kommt, sind Appelle zusammenzuhalten, die Krise „gemeinsam“ zu überstehen (indon.: gotong royong), Verzweiflung breitet sich aus. An einigen Stellen fanden schon Plündereien statt, allgemein steigt die Kriminalität, besonders Gewalt, kleine Überfälle auf Auto- oder Motorradfahrer. Der Eindruck – richtig oder falsch – wird dadurch verstärkt, dass die Regierung etwa 30,000 Kriminelle aus den Gefängnissen entlassen hat, um die Durchseuchung ganzer Haftanstalten zu vermeiden. Vielleicht war die Idee nicht ganz fertiggedacht. Jetzt, droht man, die Leute, die ohne Maske auf der Straße erwischt werden in den Knast zu stecken – die indonesische Verwaltung war schon immer lieber restriktiv (mit Verboten und Razzien) als mit offener Information zu überzeugen.
Bleibt die Frage: Wie schlimm ist es wirklich? – Eben, man kann es nur wissen, wenn man testet. Deutschland hat viel getestet und viele Fälle von Covid-19 dokumentiert. In Indonesien wird weniger getestet, eigentlich nur in den großen Städten. Im Radio wird kontrovers diskutiert, warum die Infektionszahlen, die vom Gesundheitsdienst an die Presse gegeben werden, so gar nicht mit den Zahlen harmonieren, die von den großen Krankenhäusern veröffentlicht werden. Ja, die großen Kliniken testen, haben Intensiv-Betten, alles ist da, vorausgesetzt man hat die richtige Versicherung oder bares Geld.
Das trifft auch die Touristen auf Bali. Die Insel hat eigentlich das Image vom unendlichem Urlaub im Paradies, ist aber auch nicht viel anders als Ibiza & Ballermann, hier sind es halt besoffene Australier. Einige Tausend Ausländer leben permanent auf Bali, einige sind Rentner, andere nennen sich digitale Nomaden, die dort billig leben, eigentlich illegal, ohne Arbeitserlaubnis, nur mit einem Touristenvisum und ohne Versicherung und so alle Vorschriften unterlaufen. Viele haben sich – trotz Reisehinweisen aus den Heimatländern – entschlossen zu bleiben und langweilen sich jetzt ganz schlimm, denn auch im „Paradies“ sind jetzt die Strände geschlossen, die Pubs zu und die Küche in den Restaurants bleibt kalt. – Ein Paradies im lock-down.